Elfride Trötschel

Johanna Elfride Trötschel (* 22. Dezember 1913 in Dresden – † 20. Juni 1958 in Berlin) war eine Sängerin an der Dresdner Oper.

Im Alter von 21 Jahren wurde Elfride Trötschel von Karl Böhm als Sopranistin an das Dresdner Solistenensemble verpflichtet, wo sie zunächst alle großen Partien des lyrischen Faches sang, später auch Rollen des jugendlich-dramatischen Soprans.

Ihr zu Ehren wurde in Nickern 1998 die Elfride-Trötschel-Straße benannt. Das Grab von Elfride Trötschel befindet sich auf dem Friedhof Cotta.

Leben

Elfride Trötschel war die Tochter des einstigen Liszt-Schülers Albert Trötschel, der den Beruf eines Orgelbauers und Musikpädagogen ausübte.

Mit neun Jahren wurde sie zur Vollwaise, kam in eine Pflegefamilie, in der das Kind stark vernachlässigt wurde. Anlässlich der Hochzeit ihrer älteren Schwester fiel die seelische Verstörtheit Elfride Trötschels auf, und erst in einer zweiten Familie in Dresden-Cotta fand sie eine freundliche, familiäre Aufnahme. Mit sechzehn Jahren besuchte sie die Dresdner Musik-Schule, an der sie unter anderem bei Sophie Kühnau-Bernhard und Doris Winkler zur Chorsängerin ausgebildet wurde. Der Heldenbariton Paul Schöffler verzichtete auf sein Lehrer-Honorar. Nach seinem Abschied wurde sie von Helene Jung auf die Partie des Freischütz-Ännchen vorbereitet, die Trötschel am 13. November 1934 zum ersten Mal sang.

Karl Böhm verpflichtete Trötschel 1934 an die Semperoper, wo sie bis 1950 wirkte und zahlreiche große Partien im lyrischen und später auch im jugendlich-dramatischen Fach sang. Im gleichen Jahr wurde sie zur sächsischen Kammersängerin ernannt. Im Jahr 1936 begann sie ihre Auslandskarriere mit Gastspielen in London und Florenz. Fünf Jahre später standen erstmals die Salzburger Festspiele auf dem Programm. Trötschel stand 1944 auf der Gottbegnadeten-Liste.

Im Jahr 1948 nahm sie einen umfassenden Gastspielvertrag an Walter Felsensteins Komischer Oper an. Seit 1949 arbeitete sie immer wieder unter Otto Klemperer, der sie lobte: „Keine Sopranistin gestaltet den Wunderhorn-Text so innig, schlicht und mädchenhaft wie die Trötschel.“

Von 1950 bis 1951 war sie an der Berliner Staatsoper engagiert. Von dort wechselte sie an die West-Berliner Städtische Oper. Ihre Auslandsengagements führten sie nach Edinburgh, Glyndebourne, Wien, Neapel, Lissabon, Marseille und Zürich. Ihr letzter Gastauftritt an der Dresdner Staatsoper war am 22. Februar 1953 in den Meistersingern von Nürnberg, noch im Kurhaus Bühlau, das in der Nachkriegszeit zu den wenigen erhaltenen großen Veranstaltungsgebäuden in Dresden gehörte. Was 1933 im damaligen Dresdner Lingnerschloss mit einem Liederabend begann, endete im Dezember 1956 mit ihrem letzten Liederabend im Kurhaus Bühlau.

Zahlreiche Schallplatten-Einspielungen rundeten die künstlerische Tätigkeit der Sängerin ab. Elfride Trötschel starb im Alter von nur 44 Jahren, vermutlich an Krebs, in einem West-Berliner Krankenhaus und wurde auf dem Cottaer Friedhof bestattet. Heute erinnert im Dresdner Stadtteil Nickern die „Elfride-Trötschel-Straße“ an sie.

Theater

  • 1941: Carl Maria von Weber: Oberon – Regie: Max Hofmüller (Sächsische Staatstheater Dresden – Opernhaus)
  • 1943: Giacomo Puccini: Gianni Schicchi (Tochter Lauretta) – Regie: Heinz Arnold (Sächsische Staatstheater Dresden – Opernhaus)
  • 1945: Albert Lortzing: Der Waffenschmied (Tochter Marie) – Regie: Heinz Arnold (Sächsische Staatstheater Dresden)
  • 1948: Carl Orff: Die Kluge (Die Kluge) – Regie: Walter Felsenstein – (Komische Oper Berlin)
  • 1948: Jacques Offenbach: Orpheus in der Unterwelt (Eurydike) – Regie: Walter Felsenstein (Komische Oper Berlin)
  • 1950: Wolfgang Amadeus Mozart: Figaros Hochzeit (Susanne) – Regie: Walter Felsenstein (Komische Oper Berlin)
  • 1951: Carl Maria von Weber: Der Freischütz (Agathe) – Regie: Walter Felsenstein (Komische Oper Berlin)
  • 1951: Georges Bizet: Carmen (Micaëla, Bauernmädchen) – Regie: Walter Felsenstein (Komische Oper Berlin)
  • 1951: Peter Cornelius: Der Dieb von Bagdad (Margiana) – Regie: Ernst Legal (Deutsche Staatsoper Berlin im Admiralspalast)
  • 1951: Albert Lortzing: Undine (Undine) – Regie: Werner Kelch (Deutsche Staatsoper Berlin im Admiralspalast)
  • 1953: Richard Strauss: Arabella – Regie: Richard Strauss (Enkel) (Städtische Oper Berlin im Theater des Westens)
  • 1953: Gottfried von Einem: Der Prozess – Regie: Günther Rennert (Städtische Oper Berlin im Theater des Westens)
  • 1955: Gian Carlo Menotti: Die Heilige der Bleecker Street (Annina) – Regie: Gian Carlo Menotti (Städtische Oper Berlin im Theater des Westens)
  • 1957: Giuseppe Verdi: Falstaff – Regie: Carl Ebert (Städtische Oper Berlin im Theater des Westens)

Kritik

Im Sängerlexikon von Kutsch/Riemens heißt es über die Künstlerin, man schätze sie „wegen der Feinheit ihres Vortrages und der Leuchtkraft ihres Timbres in einem umfangreichen Bühnen- und Konzertrepertoire“.

Aufnahmen (Auswahl)

  • Ludwig van Beethoven:

Fidelio: Helena Braun (Leonore), Julius Patzak (Florestan), Ferdinand Frantz (Pizarro), Josef Greindl (Rocco), Karl Schmitt-Walter (Don Fernando), Elfride Trötschel (Marzelline), Richard Holm (Jaquino), Alfons Flügel (Erster Gefangener), Heinz Maria Lins (Zweiter Gefangener) u. a., Chor und Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Dirigent: Eugen Jochum, München im April 1951 – Veröffentlicht: 2004 (WALHALL) und 2005 (Cantus Classics)

  • Johann Strauss:

Querschnitte aus den Operetten Die Fledermaus und Der Zigeunerbaron auf Polydor, neben u. a. Peter Anders, dirigiert von Franz Marszalek.1

Prof. Elfriede Feudel

Elfriede Antonie Feudel, geb. Thurau (* 30. Oktober 1881 in Stargard in Pommern; † 30. März 1966 in Freiburg im Breisgau) war eine deutsche Wegbereiterin der Rhythmik, als eine Methode der Körpererziehung, die sich ganzheitlich auf alle Dimensionen des Menschen, seine leiblichen, seelischen und geistigen Kräfte bezieht.

Sie war das zweite von neun Kindern des Rechtsanwalts und Notars Adalbert Thurau und dessen Ehefrau Elisabeth, geb. von Gizycki. Die Familie übersiedelte 1890 nach Berlin. Dort absolvierte Elfriede Thurau das Königliche Lehrerinnenseminar. Nach dem Studium arbeitete sie von 1901 bis 1904 als Hauslehrerin und Erzieherin in England. Nach Deutschland zurückgekehrt erhielt sie eine Anstellung als Lehrerin an einer katholischen Volksschule in Berlin-Schöneberg. Zugleich besuchte die junge Lehrerin Vorlesungen an der Universität über Musik und Philosophie.

1910 besuchte sie eine Aufführung in Rhythmischer Gymnastik von Émile Jaques-Dalcroze an der Königlich akademischen Hochschule für Musik und beschloss sich in dieser Methode ausbilden zu lassen. Sie ließ sich vom Schuldienst beurlauben und absolvierte die Ausbildung in Rhythmischer Gymnastik an der Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus in Hellerau bei Dresden, die von Jaques-Dalcroze geleitet und mitbegründet wurde. Mai 1913 erhielt sie ihr Diplom in Rhythmischer Gymnastik. Im Januar 1915 legte Elfriede Thurau noch das Schulmusikerexamen in Berlin ab. Folgend arbeitete sie bis 1919 als Musiklehrerin in Essen. Während eines Ferienaufenthaltes in Oberbayern lernte sie den Kunstmaler Alfred Feudel kennen. Die beiden heirateten im November 1918. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

1926 war sie aktiv an der Gründung des Deutschen Rhythmikerbundes e.V. beteiligt. Im gleichen Jahr publizierte Elfriede Feudel Rhythmik. Theorie und Praxis der körperlich-musikalischen Erziehung. Dabei definierte sie die Rhythmik als Dialog zwischen Musik und Bewegung, wie aus nachstehendem Zitat ersichtlich wird:

„Dem Unterricht erwächst die wichtige und sehr reizvolle Aufgabe, eine Wechselwirkung zwischen der musikalischen Ausdeutung körperlicher Impulse (etwa ausgehend davon, dass man ein Kind zu seiner improvisierenden Bewegung seine eigene Melodie singen lässt) und dem körperlichen Erfühlen der Musik (etwa ausgehend davon, daß das Ende einer melodischen Phrase durch einen Richtungswechsel bezeichnet werden soll) herzustellen und dadurch das Gefühl der Einheit von körperlichem und musikalischem Ausdruck unbewußt erstarken zu lassen, ehe es ins Bewußtsein übertragen und fruchtbar gemacht wird.“

Von 1927 bis 1935 leitete sie das Rhythmikerseminar am Konservatorium Dortmund. Danach war sie Dozentin am Rhythmikerseminar der Folkwangschule in Essen und von 1943 bis 1945 an der Hochschule für Musik in Leipzig, wo sie zur Professorin ernannt wurde. Während der NS-Zeit trat sie, trotz mehrmaliger Aufforderungen ihrer Vorgesetzten, nicht in die NSDAP ein. Sie war Mitglied in folgenden NS-Gliederungen: NSV, Deutsches Frauenwerk, Reichsdozentenschaft, Reichsmusikkammer und Reichsluftschutzbund. Im Rahmen der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude hielt Elfriede Feudel mehrere Vorträge und Kurse. 1939 veröffentlichte sie ihre Monografie Rhythmische Erziehung, in der sie die Gegebenheiten von Raum, Zeit, Kraft (Dynamik) und Form als die gestaltenden und auffordernden Elemente der rhythmischen Erziehung, als ureigenen Lehrstoff der rhythmischen Leibeserziehung (Feudel 1939, S. 39) vorstellte.

In den Jahren 1947 bis 1949 beteiligte sich die Rhythmikerin am Wiederaufbau der Musikhochschule in Stuttgart, an der ihre Schülerin Ingeborg Pistor das Rhythmikseminar leitete. Anschließend übernahm sie das Ressort Forschung-Vorträge-Gutachten im neu gegründeten Arbeitskreis für Rhythmische Erziehung im Verband Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer. In dieser Position organisierte sie Arbeitstagungen, Vorträge und veröffentlichte zahlreiche Schriften u. a. ihr Grundsatzwerk: Durchbruch zum Rhythmischen in der Erziehung.

Im Jahre 1956 übersiedelte Elfriede Feudel nach Freiburg/Br. Dort erteilte sie noch Rhythmikunterricht im Kindergärtnerinnen- und Jugendleiterinnenseminar des Caritasverbandes.

Grundsätze ihrer Rhythmik

Für Elfriede Feudel ist Rhythmik ein harmonisches und gleichwertiges Zusammenspiel von Musik und Körper:

In der Rhythmik treten Musik und Körper einander gleichwertig gegenüber: die Musik soll sich nach der Bewegung des Körpers richten, die Körperbewegung die Musik wiedergeben (Feudel 1956, S. 17).

Dabei war ihre entscheidende Entdeckung die Erkenntnis, dass zu den in der Musik vorhandenen Elementen Zeit und Kraft (Dynamik) noch Raum und Form als gestaltende und auffordernde Mächte hinzutreten, die auch für die Bewegung zutreffen, wobei jedes einzelne erzieherische Bedeutung besitzt. Demzufolge hat sich der Mensch mit seinem Körper, in Zeit, Raum, Kraft und Form derart einzufügen, daß er zuerst die äußersten Gegensätze innerhalb der Zeit (schnell-langsam), des Raumes (Gerade-Kurve, waagrecht-senkrecht, eng-weit, vorwärts-rückwärts usw.), der Kraft (stark-schwach, laut-leise) und Form (gesetzmäßig-ungesetzmäßig, gut-schlecht) in seiner Bewegung zum Ausdruck bringt, dann die feineren Unterschiede und Übergänge zwischen diesen Endpunkten und schließlich die leisesten Schwankungen auf dem Weg zwischen den Polen wiederzugeben lernt (Feudel 1949, S. 175). Durch den bewegungsmäßigen Dialog mit dem Gegenspieler Musik, durch die Schulung des Bewegungsapparates und der Sinne in Aufgaben der Auseinandersetzung mit den genannten Elementen wollte Elfriede Feudel eine enge Verbindung zwischen Geist, Seele und Leib, wie sie beim kleinen Kind noch vorhanden ist, wiederherstellen und so zu einem leiblichen Erfassen und Verständnis der Welt führen.1

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Eleonore Pauline Theile

Eleonore Pauline Theile (29. Juni 1820 Leipzig – 11. April 1900 Lockwitz, Grab auf dem Friedhof Lockwitz)

Eleonore Pauline Theile, geb. Binnebösel, war Hebamme und Frau des Arztes und Revolutionärs Dr. Friedrich Theile (1814–1899). Sie heirateten am 30. Oktober 1838 in der Dresdner Kreuzkirche. Sie war die Tochter des Leipziger Riemenmeisters Johann Gottfried Binnebösel.1

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Edith Hildegard Kühnert

Edith Hildegard Kühnert, geborene Teutsch, wurde am 5. Oktober 1913 in München geboren. Sie war Lehrerin für Französisch und Englisch. Als katholisch verheiratete Frau kam sie mit ihrem Mann, dem kaufmännischen Angestellten Willibald Kühnert nach Dresden. Das Paar hatte eine Tochter. Barbara Kühnert wurde am 5. Februar 1943 in Dresden geboren. Die Ehe mit ihrem nichtjüdischen Mann schützte sie nur bedingt. Frau Kühnert erhielt als eine der letzten ca. 170 in Dresden verbliebenen Juden den Deportationsbefehl für den 16. Februar 1945, drei Tage vor der Bombardierung Dresdens. Einer derjenigen, der die Deportationsbefehle im Auftrag der Reichvereinigung der Juden in Deutschland zuzustellen hatte, war der Romanist Victor Klemperer: „Sie sollten sich am 16. Februar um 6.45 Uhr in der Zeughausstraße (Gemeindehäuser der bereits im November 1938 zerstörten Dresdner Synagoge) ‚zum Arbeitseinsatz außerhalb Dresdens‘ mit Handgepäck und Marschverpflegung für zwei bis drei Tage einfinden. Alle betroffenen Leidensgefährten wussten: Dies war das Todesurteil.“
Mit ihrem Mann besprach Frau Kühnert verschiedene Pläne, um aus Dresden zu entkommen. Eine befreundete Familie in der Nachbarschaft bot ihr an, sie bei sich zu verstecken. Aus Angst vor einem Spitzel, der in derselben Straße wohnte, lehnte Edith Kühnert allerdings ab und flüchtete am 15. Februar mit der zweijährigen Tochter in Richtung Berlin. Edith Kühnert soll über Radeberg, Großenhain und Elsterwerda geflohen sein. Am 17. Februar wurde sie von einer Gärtnerfamilie in Zeischa/Bad Liebenwerda aufgenommen. Am 18. Februar 1945 wurde der Kinderwagen von Barbara Kühnert in einem Fischteich bei Thalberg gefunden und bald darauf barg man die Leichen der beiden. Die Todesursache blieb ungeklärt.1

Am 24. September 2013 wurden zur Erinnerung an Edith Hildegard Kühnert und deren Tochter Barbara Kühnert zwei Stolpersteine auf der Weinbergstraße 40 (Dresden-Pieschen/ Trachenberge) gesetzt.

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Dorothea Tieck

Dorothea Tieck war eine deutsche Übersetzerin. Zusammen mit ihrem Vater Ludwig Tieck und Wolf Heinrich Graf von Baudissin fertigte sie Übersetzungen zahlreicher Werke William Shakespeares an, übersetzte aber auch andere Autoren aus dem Spanischen und Englischen.

Dorothea Tieck wurde 1799 als älteste Tochter des Schriftstellers Ludwig Tieck und der Tochter des Theologen Julius Gustav Alberti, Amalie Alberti, in Berlin geboren. Bereits 1805 trat Dorothea Tieck unter dem Einfluss ihrer Mutter zum katholischen Glauben über.

Schon in jungen Jahren zeigte sich Dorothea Tiecks Wissbegierde und Talent für Sprachen. Sie lernte Französisch, Englisch, Italienisch und Spanisch, aber auch Griechisch und Latein, sodass sie Shakespeares Werke, aber auch Calderón, Homer, Livius, Vergil, Dante und Horaz im Original lesen konnte. Im Jahr 1819 ging die Familie nach Dresden. Dorothea Tieck wurde in den folgenden Jahren die Gehilfin des Vaters und unterstützte ihn bei seinen Studien und Arbeiten. Sie übersetzte Werke Shakespeares, aber auch mehrere Übersetzungen aus dem Spanischen sind von ihr. Dorothea Tiecks Name wurde dabei nicht immer genannt, als Herausgeber fungiert oft ihr Vater Ludwig Tieck, der auch Nachworte beisteuert und manches Mal angibt, die Übersetzungen seien durch „einen (jungen) Freund“ [sic!] erfolgt.

Der Tod ihrer Mutter 1837 stürzte Dorothea Tieck in Depressionen. Besonders litt das erklärte Lieblingskind Ludwig Tiecks unter der Beziehung des Vaters zur Gräfin Finkenstein, die seit 1803 auf Gut Ziebingen und später in Dresden im Haus der Familie wohnte. Schwermütige Gedanken und Lebensunlust führten zu einem ständigen Kampf mit sich selbst, sodass sie sogar erwog, in ein Kloster zu gehen. Das Gefühl, den Vater als älteste Tochter umsorgen zu müssen, hielt sie davon ab. Neben ihrer literarischen Arbeit war die tiefreligiöse Dorothea Tieck auch in einem katholischen Frauenverein tätig und unterrichtete in einer Armenschule Mädchen aus den untersten Ständen in Handarbeiten.

Sie erkrankte an Masern und starb an einem hinzugetretenen Nervenfieber im Februar 1841 unverheiratet in Dresden. Sie wurde wie ihre Mutter auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden beigesetzt. Beide Gräber sind nicht erhalten. An Dorothea Tieck erinnert jedoch eine Gedenktafel auf dem Friedhof.

Die Shakespeare-Übersetzungen

Ludwig Tieck hatte sich bereits sehr zeitig mit William Shakespeare beschäftigt. Schon 1796 fasste er den Plan, Shakespeares Gesamtwerk ins Deutsche zu übertragen. Sein Plan wurde durch August Wilhelm Schlegels Übersetzung von 14 Werken Shakespeares durchkreuzt, die ab 1797 erschienen. Ludwig Tieck wandte sich daher zuerst englischen Werken zu, deren Übersetzung 1823 unter dem Titel Shakespeare’s Vorschule erschienen. Die Übersetzungen von Robert Greenes Die wunderbare Sage von Pater Baco und dem anonymen Arden von Feversham stammten dabei von Dorothea Tieck.

Das nächste größere Projekt wurden die Sonette Shakespeares, deren Übersetzung durch die feste Strophenform jedoch ungleich schwerer war. In Ludwig Tiecks Aufsatz Über Shakespeares Sonette einige Worte, nebst Proben einer Übersetzung derselben, der 1826 in der Zeitschrift Penelope erschien, gab Ludwig Tieck zu, dass die Übersetzung der Sonette durch einen jüngeren Freund hergestellt worden sei. Bei diesem handelte es sich um seine Tochter Dorothea, die ab 1820 sämtliche Sonette Shakespeares übersetzt hatte, von denen 25 in der Zeitschrift Penelope abgedruckt wurden.

Der Plan August Wilhelm Schlegels, eine Gesamtübersetzung der Werke Shakespeares zu liefern, war 1810 nach 14 Dramen abgebrochen. Ab 1825 übernahm Ludwig Tieck das Shakespeare-Projekt, der zu dem Zeitpunkt bereits an einer Übersetzung des Macbeth und des Stücks Love’s Labour’s Lost gearbeitet hatte. Doch schon 1830 beschrieb Ludwig Tieck seine Arbeit an der Shakespeare-Übersetzung deutlich passiver:

„Der Verleger (Georg Andreas Reimer) hat mich aufgefordert, die damals angekündigte Ausgabe insofern zu besorgen, daß ich die Übersetzungen jüngerer Freunde, die ihre ganze Muße diesem Studium widmen können, durchsehe, und, wo es nötig ist, sie verbessere, auch einige Anmerkungen den Schauspielen zufüge.“

Ludwig Tieck 1830

Neben Wolf Heinrich Graf von Baudissin handelte es sich bei den jungen Freunden auch um Dorothea Tieck. Diese Form der Arbeitsteilung entsprach jedoch weniger einem geplanten und durch den Verleger angeordneten Vorgehen, als vielmehr einem spontanen und unter Zeitdruck notwendigen Entschluss. Ludwig Tieck hatte von Reimer Zahlungen für die noch fehlenden Übersetzungen erhalten und war bereits regelmäßig gemahnt worden, dafür auch Ergebnisse zu liefern. Ludwig Tieck war jedoch durch zahlreiche Krankheiten und auch gesellschaftliche Verpflichtungen nicht in der Lage, die Übersetzungen der Werke vorzunehmen.

„Da faßten Tiecks älteste Tochter Dorothea und ich uns ein Herz und taten ihm den Vorschlag, viribus unitis die Arbeit zu übernehmen; […] Das Unternehmen hatte raschen Fortgang: im Verlauf von drittehalb Jahren wurden von meiner Mitarbeiterin Macbeth, Cymbeline, die Veroneser, Coriolanus, Timon von Athen und das Wintermärchen, von mir die noch übrigen dreizehn Stücke übersetzt. Tag für Tag von halb zwölf bis ein Uhr fanden wir uns in Tiecks Bibliothekszimmer ein: wer ein Stück fertig hatte, las es vor, die zwei andern Mitglieder unseres Collegiums verglichen den Vortrag mit dem Original, und approbierten, schlugen Änderungen vor, oder verwarfen.“

Wolf Heinrich Graf von Baudissin: Erinnerungen

In Zusammenarbeit mit Wolf Heinrich Graf von Baudissin übersetzte Dorothea Tieck zudem die Stücke Viel Lärm um Nichts und Der Widerspenstigen Zähmung und steuerte zu seiner Übersetzung des Stücks Verlorene Liebesmüh Sonette bei.

Macbeth hatte Ludwig Tieck bereits 1819 zu übersetzen begonnen. Dorothea Tieck beendete die fragmentarische deutsche Version 1833.

Dorothea Tieck fertigte auch Übersetzungen aus dem Spanischen und Englischen an, die jedoch anonym oder unter dem Namen Ludwig Tiecks erschienen. Im Jahr 1827 erschien Vicente Espinels Biografie Leben und Begebenheiten des Escudero Marcos Obrégon, die den Untertitel Aus dem Spanischen zum ersten Male in das Deutsche übertragen, und mit Anmerkungen und mit einer Vorrede begleitet von Ludwig Tieck trug. Ihre Übersetzung von Cervantes’ Leiden des Persiles und der Sigismunda erschien 1838 anonym mit einem Vorwort von Ludwig Tieck. Friedrich von Raumer veranlasste Dorothea Tieck schließlich zur Übersetzung des Werkes Leben und Briefe George Washingtons von Jared Sparks, die 1841 erschien.

Dorothea Tieck hielt sich bei ihrer Arbeit stets im Hintergrund. Über ihre Arbeit als Übersetzerin äußerte sie sich 1831 in einem Brief an Friedrich von Uechtritz.

„Ich glaube, das Übersetzen ist eigentlich mehr ein Geschäft für Frauen als für Männer, gerade weil es uns nicht gestattet ist, etwas eigenes hervorzubringen.“

Dorothea Tieck an Friedrich von Üchtritz, Brief vom 15. Juli 1831

Dorothea Tieck blieb zeitlebens diesem Frauenbild verhaftet und veröffentlichte trotz ihres literarischen Talents keine eigenen Schriften. Sie akzeptierte das Zurücktreten hinter den Namen ihres Vaters und unterstützte die Geheimhaltung ihrer literarischen Tätigkeit sogar.

Auch in ihrer Übersetzungsarbeit wurde Dorothea Tieck im Gegensatz zu August Wilhelm Schlegels „poetischen“ Übersetzungen nicht selbst kreativ tätig, sondern setzte die originalgetreue Wiedergabe des Textes an vorderste Stelle.

Werke

Bei allen Werken handelt es sich um Übersetzungen Dorothea Tiecks ins Deutsche.

  • Die wunderbare Sage von Pater Baco von Robert Greene (VÖ 1823)
  • Arden of Faversham (VÖ 1823)
  • Sonette von William Shakespeare (um 1820, VÖ 1826)
  • Leben und Begebenheiten des Escudero Marcos Obrégon von Vicente Espinel (1827)
  • Viel Lärm um Nichts von William Shakespeare (mit Wolf Heinrich Graf von Baudissin, 1830)
  • Der Widerspenstigen Zähmung (mit Wolf Heinrich Graf von Baudissin, 1831)
  • Coriolan von William Shakespeare (1832)
  • Die beiden Veroneser von William Shakespeare (1832)
  • Timon von Athen von William Shakespeare (1832)
  • Ein Wintermärchen von William Shakespeare (1832)
  • Cymbeline von William Shakespeare (1833)
  • Macbeth von William Shakespeare (1833)
  • Leiden des Persiles und der Sigismunda von Cervantes (1838)
  • Leben und Briefe George Washingtons von Jared Sparks (1839)1

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Dora Vollmöller-Mirus

Dora Vollmöller-Mirus (geb. Theodora Elisabeth Mirus) war Schriftstellerin und Frauenrechtlerin. 1887 heiratete sie Dr. Karl Vollmöller, Professor an der Uni Göttingen, 1891 Übersiedlung nach Dresden. Gründung des Augusta-Heims in Leisnig (Sommeraufenthalt für Schriftstellerinnen, Lehrerinnen, Handlungsgehilfinnen u.a.). Im Vorstand des Vereins für Handlungsgehilfinnen und des Vereins Freundinnnen junger Mädchen. Verbandsvorsitzende des Landesverbandes für christlichen Frauendienst 1910-1912. Vorgängerin: Rosa von Zezschwitz. Nachfolgerin: Marie von Carlowitz. Sie wohnte auf der Wiener Straße 9. 1, 2, 3

Sie war die Tochter des Rechtsanwalts und sächsischen Hofrats Karl Adolf Mirus (1829–1907) und der Auguste Wilhelmine Buhle (1839–1900). Die Mutter war Nachfahrin einer Textilfabrikantenfamilie in Polen und brachte bedeutendes Vermögen in die Familie ein. Theodora erhielt ihre Erziehung durch eine Gouvernante und Privatlehrer. Das Vermögen der Familie erlaubte ihr schon in jungen Jahren zahlreiche größere Reisen. Im Haus Gottfried in Tölz, einem Besitz der Eltern, verlobte sie sich am 31. August 1886 mit Karl Vollmöller, zu dem Zeitpunkt Professor der Philologie in Göttingen. Am 18. Januar 1887 folgte die Heirat. Dadurch wurde sie die Schwägerin der Sozialreformerin Emilie Vollmöller.

Im Jahr 1891 zog die Familie nach Dresden, wo sie aus altem Buhle’schen Besitz zahlreiche Immobilien besaß. Vollmöller war sozial engagiert, auf dem Gebiet der Inneren Mission tätig und setzte sich vor allem für arbeitende Frauen und Mädchen ihrer Zeit ein. In Leisnig gründete sie das Augusta-Heim, in dem Autorinnen, Lehrerinnen, Handlungsgehilfinnen und andere berufstätige Frauen den Sommer verbringen konnten. Ihr Mann engagierte sich gemeinsam mit seinem Bruder Robert Vollmöller in deren Heimatort Ilsfeld nach der Brandkatastrophe von 1904 für die Nothilfe und den Wiederaufbau und gründete dort 1906 das nach ihr benannte Kleinkinderpflegeheim Dorastift. Die Brüder wurden 1906 zu Ehrenbürgern von Ilsfeld ernannt.

Von 1910 bis 1912 war Vollmöller Verbandsvorsitzende des „Landesverbandes für christlichen Frauendienst“. Auch im Vorstand des „Vereins für Handlungsgehilfinnen“ und des Vereins „Freundinnen junger Mädchen“ hatte Vollmöller Posten inne. Ihre Schriften veröffentlichte sie unter dem Namen Dora Vollmöller. Sie war eine enge Freundin der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, der Großmutter Katia Manns.4

Ihr Grab befindet sich auf dem Trinitatisfriedhof.

Friedel Landgraf

Friedel (Lina Frieda) Landgraf, geb. Thumig, war Widerstandskämpferin. Sie war das sechste von sieben Kindern einer Heimarbeiterfamilie. Nach der Schulentlassung arbeitete sie als Dienstmädchen, 1913 wurde sie Verkäuferin im Konsum und Mitglied im Zentralverband der Handlungsgehilfen. Durch ihren Bruder, der 1919 zu den Mitbegründern des Spartakusbundes gehörte, sowie durch ihren Ehemann Rudolf Landgraf wurde sie in das politische Geschehen einbezogen. 1928 trat sie der KPD bei, war ehrenamtliche Fürsorgerin im Stadtbezirk Johannstadt bis 1933. Seit 1922 war sie Mitglied im Touristenverein der Naturfreunde, 1929 in der VKA (Vereinigten Kletterabteilung) Naturfreunde der „Oppo“ und ständige Helferin im Heim. 1932 half sie bei der Vorbereitung der Kauskasus-Expedition, an der ihr Mann teilnahm. 1933 wurde die VKA („Rote Bergsteiger“) aufgelöst. Sie arbeiteten illegal weiter. Einige traten in den Alpenverein, Zweig „Meißner Hochland“ ein. Sie half beim Bau der Bergsteigerhütte in Ostrau/Bad Schandau. 1943 gab es ein illegales Treffen mit Kurt Sindermann, Herbert Blochwitz und Arthur Weineck in der Tischlerwerkstatt Kurt Schlossers. Am 17. Dezember 1943 folgte die Verhaftung. Bis Januar 1944 war sie im Polizeipräsidium inhaftiert und wirde am 30. Juni 1944 nach dem Untersuchungsgefängnis Münchner Platz überführt. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurde sie vom Volksgerichtshof Berlin zu 5 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Im August 1944 kam sie in das Frauenzuchthaus Aichabach/Oberbayern, dann in ein Barackenlager bei Rosenhain und schließlich ins Frauengefängnis Lebenau/Salzburg. Am 4. Mai 1945 wurde sie von den Amerikanern befreit. Ihre Wohnung Pfotenhauer Str. 15 war ausgebombt. Am 1. August 1945 trat sie wieder der KPD bei, am 15. Oktober 45 wurde sie Fürsorgehelferin beim Rat der Stadt. Sie war die Lebensgefährtin Kurt Schlossers. Neben ihrer Arbeit in der Veteranenbetreuung erzählte sie in Schulen über die Arbeit der VKA. Zuletzt wohnte sie Comeniusstr. 68. Sie war Ehrenmitglied des Bergsteigerchores.1

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Frieda Thiele

Berufsschulleiterin, vertrat 1931 auf der Versammlung des Stadtbundes der Dresdener Frauenvereine den Dresdner Lehrerinnenverein, N 23, Wilder-Mann-Str. 40.

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Frida Tronicke

Frida Tronicke geb. Grundmann war die Tochter eines Kutschers und einer Waschfrau. Sie besuchte den Kindergarten des Stadtvereins für Innere Mission auf der Langebrücker Str. 10. Dann wurde sie Dienstmädchen, mit 20 Jahren heiratete sie. Danach arbeitete sie als Blätterwachserin auf der Marschallstr. 1912 Geburt des Sohnes, sie wurde Munitionsarbeiterin, in der Fa. Heyde, Kleiststr., dort war sie mit der Zünder-Revision betraut, wurde in den Arbeiterrat gewählt. Vorstandsmitglied des Vereins Volksgesundheit Dresden-N., delegiert ins Arbeitersportkartell, von dort in den städtischen Ausschuß für Leibesübungen. Mitglied im „Volkswohl“. 1914 trat sie der SPD bei. Sie wirkte auch als Schöffe. 1917 zog sie nach Flensburg, Arbeit im Lazarett. 1918 zurück nach Dresden. 1920 Geburt der Tochter. Arbeit im Konsumverein Vorwärts. Essenausgeberin in der Pestalozzi-Schule, 1959 lebte sie im Clara-Zetkin-Heim. Ihre Wohnungen: Friedhofstr. (hier wurde sie geboren), Hechtstr. 11 Hochparterre, Hechtstr. 59 b HH III, Schanzenstr. 13 pt., Fichtenstr., Großenhainer Str.1

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Dr. Franziska Tiburtius

Dr. med. Franziska Tiburtius war Ärztin. Aufgewachsen in einem Gutshof auf Rügen, Hauslehrerin, 1871 Pflege ihres kranken Bruders, anschl. Studium und Promotion (1876) in Zürich, Praktikum in Dresden, 1876 Praxis in Berlin in einer Wohnung mit ihrer Schwägerin, der ersten deutschen Zahnärztin Dr. Henriette Tiburtius geb. Hirschfeld und ihrer Kollegin Dr. Emilie Lehmus. Neben der Privatpraxis Einrichtung einer Poliklinik für unbemittelte Frauen und Kinder.

An der Charité wurde Tiburtius Mitbegründerin und leitende Ärztin an der Poliklinik für Frauen. Gemeinsam mit ihren Praxiskolleginnen Henriette Hirschfeld-Tiburtius und Emilie Lehmus zählte Tiburtius darüber hinaus zu den ersten niedergelassenen Ärztinnen in Deutschland. 1878 eröffneten sie in der Alten Schönhauser Straße 23/24 in Berlin eine Arztpraxis.

Von ihrem Bruder übernahm sie den Posten des Hausarztes im Viktoria-Stift des Lette-Vereins. Als erste deutsche Ärztinnen mit eigener Praxis sahen beide sich jahrelang öffentlichen Anfeindungen und Vorbehalten der männlichen Ärzteschaft ausgesetzt. Sie durften zwar praktizieren, jedoch mussten sie sich als „Dr. med. in Zürich“ ausweisen, wonach sie dem Status nach Heilpraktiker waren. Der Titel „Arzt“ wurde ihnen nicht zugestanden, da dieser an eine deutsche Approbation gebunden war. Die Praxisausübung konnte man ihr nicht untersagen, weil „diese nach der neuen deutschen Gewerbeordnung von 1876 an keinen besonderen Befähigungsnachweis gebunden war“, womit sie formal „den Kurpfuschern gesetzlich gleichgestellt“ war.

Mit einer weiteren Studienkollegin, der deutschen Ärztin Agnes Hacker, eröffnete Franziska Tiburtius dessen ungeachtet im Jahr 1908 die Chirurgische Klinik weiblicher Ärzte. In dieser Poliklinik wurden insbesondere Frauen aufgenommen, die keiner Krankenkasse angehörten. An Bedürftige wurde kostenlos Arznei ausgegeben.

Tiburtius engagierte sich für die Frauenbewegung und insbesondere für die Aufhebung des Studierverbots für Frauen in Deutschland. Jedoch wurden an preußischen Universitäten Frauen erst ab 1908 als Medizinstudentinnen zugelassen und waren bis 1914 nicht zur Approbation zugelassen. Als man im Jahre 1889 die Einrichtung von zweijährigen Realcursen für Frauen in Berlin plante, konnte Franziska Tiburtius als eine der Leiterinnen gewonnen werden.

1908 setzte sich Franziska Tiburtius zur Ruhe. In der Folgezeit bereiste sie unter anderem Amerika, Nordafrika sowie Ziele innerhalb Europas. Sie verstarb 1927 in Berlin.

Franziska Tiburtius gilt als die erste deutsche promovierte Ärztin der neueren Zeit. Noch 1894 war sie eine von lediglich sechs praktizierende Ärztinnen in Deutschland. Am 24. Januar 1903 wurde in Berlin „ein wohl bisher noch nie begangenens Fest gefeiert, der 60. Geburtstag des ältesten weiblichen Arztes in Berlin und in Deutschland überhaupt“.

Ihr abwechslungsreiches Leben schrieb Franziska Tiburtius in ihrer Autobiographie Erinnerungen einer Achtzigjährigen nieder. Darin berichtet sie unter anderem von ihrer Kindheit auf Rügen.

Franziska Tiburtius starb in der von ihr gegründeten Anstalt für weibliche Ärzte in Berlin.

Im Wintersemester 1938/39 wurde an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen eine Gruppe der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen nach Franziska Tiburtius benannt.

Das ehemalige Stralsunder Bezirkskrankenhaus, heute „Klinikum am Sund“, stiftete 1987 eine Preismedaille, die ab 1988 als Wissenschaftspreis jährlich zum Tag des Gesundheitswesens verliehen wurde.

Gestaltet wurde sie von Helmut König aus Zella-Mehlis nach einem Entwurf des Stralsunders Peter Ganz, sie besteht aus Kupfer und hat einen Durchmesser von 40,2 mm.

Vorderseite: „DR. MED. FRANZISKA TIBURTIUS“ und „* 1843“ sowie „† 1927“; ein Brustbild zeigt die Medizinerin.

Rückseite: „BEZIRKSKRANKENHAUS“ und Äskulapstab, umschlossen von einem Lorbeerkranz

Im Jahre 2002 widmete der „Stralsunder Philatelisten-Verein von 1946 e. V.“ zum 75. Todestag ihr einen Gedenkumschlag mit der Abbildung der Tiburtius-Medaille. Dazu passend gab es einen Sonderstempel (18439 Stralsund 1) mit dem Porträt der Ärztin.

In mehreren Städten und Gemeinden sind Straßen nach Franziska Tiburtius benannt, so die Tiburtiusstraße im „Ärztinnenviertel“ in Berlin-Altglienicke, die Franziska-Tiburtius-Straße im Dresdner Stadtteil Wachwitz und eine gleichnamige Straße im Stralsunder Stadtteil Knieper. 1